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Fehlermanagement in der Anwaltskanzlei

Fehlermanagement ist die Umsetzung der Fehlerkultur.
Diese wird von oben („top-down“) eingesetzt und erst durch das Vorbild der Partner zu einer alltagsreifen Motivationsveranstaltung.

Der Volltext dieses Aufsatzes ist in der Schweizerischen Anwaltsrevue (10 / 2023)

Copyright: Johanna Busmann 2023

Keine Fehlerkultur gibt es nicht.

Wo ein Fehler vertuscht, verharmlost, anderen in die Schuhe geschoben und ihr Produzent bestraft, gemieden oder in der Hierarchie zurückgestuft wird, zeigt sich eine restriktive Fehlerkultur.
In einer Kanzlei mit konstruktiver Fehlerkultur ist konstruktives Fehlermanagement für alle Mitarbeiter und alle Partner so normal wie Zähne putzen: Fehler werden unverzüglich entdeckt, gemeldet, beschrieben, kategorisiert, allen anderen schriftlich mit Lösung vorgetragen – und niemals wiederholt.

  • Eine offensive Fehlerkultur einzurichten, gelingt nur topdown („von oben nach unten“) und durch alltägliche Vorbildfunktion der Partner.

Der Anwalt ist ein traumatisierter Null-Fehler-Stratege.

„Jeder Fehler kann den Kopf kosten“. Anwälte wurden in ihren Ausbildungen mit buchhalterischer Präzision auf Fehlervermeidung gedrillt. Im akademisch dominierten Null-Fehler-Universum, über dem das Damoklesschwert „Haftung“ schwebt, gilt nun mal die Null-Fehler-Toleranz – besonders sich selbst gegenüber.
Wer diese Ausbildung überlebt hat, möchte naturgemäß eigene Fehler verharmlosen oder gar nicht sehen und – quasi als kosmischen Ausgleich – die Fehler anderer sofort bestrafen.

  • Verharmlosen, vertuschen, bestrafen – das ist Sand im Getriebe für alle Kanzleien mit definierten Marktzielen.

Fehler sind für Anwälte sexy – wenn der Gegner sie macht.

Gegnerische Fehler machen Anwälte glücklich, und endlich strahlt auch der eigene Mandant.
Euphorisierenden Attribute aller Art fehlen dagegen bei eigenen Fehlern.
Dabei weiß jeder Anwalt:

  • Das Verstecken eines (eigenen) Fehlers ist motiviert durch eine Kultur der Angst und führt so gut wie immer zu weiteren Fehlern.

Das Gegenteil eines Fehlers ist nicht dessen Abwesenheit.

Fehler sind durch ihr konkretes Gegenteil definiert, um den beabsichtigten Zustand, das erwartete Ergebnis oder das gewünschte Verhalten festzuschreiben und zu erreichen.
Kanzleihandbücher legen Status Quo, Ergebnisse, Prozesse und Abläufe im Detail fest.
Sie würden dadurch für alle Zeiten, alle Abteilungen, alle Standorte, alle neuen Mitarbeiter und alle Persönlichkeiten der Partner Orientierung schaffen.

  • Wo Kanzleihandbücher allerdings ungelesen bleiben, nicht befolgt werden oder vorsichtshalber gleich ganz fehlen, regieren Unsicherheit und Beliebigkeit.

Wo ein Fehler nicht definiert ist, kann auch keiner gemacht werden?

War das wirklich ein Fehler? Dann müssten wir einschreiten. Oder war es doch nur dessen harmloses Alltagspendant Missverständnis, Irrtum oder der berühmte Griff ins Klo? Die einen sagen so, die anderen so:

  • Ist ein vierseitiger Schriftsatz mit einem Kommafehler „fehlerfrei“? Ist es nicht eher grandios (und keineswegs ein Fehler), wenn die Assistentin die Daten des neuen Mandanten aufnimmt, obwohl das sonst ihr durch Mikromanagement infizierter Chef macht?
  • Wenn der Partner wegen seiner ständigen extremen Zeitnot immer wieder unklar delegiert, wo liegt dann der Ursprungsfehler? Und wie viele Fehler folgen daraus?
  • Geht es gerade noch als „zulässige Abweichung vom fehlerfreien Soll“ durch, wenn einer der Partner nicht-lukrative Mandate annimmt, obwohl sich alle Partner vor Monaten dagegen entschieden hatten?
  • Darf in einer Abteilung einer ungestraft etwas falsch machen, wofür ein anderer in einer Abteilung eine Abmahnung kassiert?
  • Und: Dürfen haftungsträchtige Mandate überhaupt noch angenommen werden?

Haftungsträchtige Mandate erhöhen die anwaltliche Fehlerfurcht.

Das Damoklesschwert „Haftung“ schwebt Tag und Nacht über und in Anwaltsköpfen. Es verursacht schlechte Träume, unbegreifliche Nebensätze (leider auch mündlich) und eine ungeschickte Risikoaufklärung im Erstgespräch.
Erfahrene Anwälte verstehen sofort, welche Mandate haftungsrechtlich relevante Fehlerquellen enthalten.
Da bedeutet Prophylaxe weit mehr als nur Aufpassen, denn die gesamte Kanzlei-Existenz kann auf dem Spiel stehen.
Um Fehler zu vermeiden, ist es z.B. möglich,

  • fehlerträchtige Mandate von vornherein abzulehnen
  • die Haftung gegenüber dem Mandanten vertraglich zu beschränken
  • sich über die gesetzlichen Mindestgrenzen hinaus zu versichern
  • sich für besonders risikoträchtige Teile des Mandats eine Zweitmeinung einzuholen
  • spezialisierte Kollegen mit einer Untervollmacht auszustatten
  • sich in fehlerträchtigen Mandaten besonders gut bezahlen zu lassen

Fehler bleiben besonders häufig dort unentdeckt, wo sie bestraft werden.

Restriktive Unternehmenskulturen entfachen Angst.
Diese zeigt sich durch eine geringe Eigenverantwortung der Mitarbeiter bei zeitgleich hoher Bereitschaft zur individuellen Fehlerleugnung und -vertuschung.
Aus einem Fehler folgt für alle Null-Fehler-Strategen in der Chefetage die Suche nach Schuldigen und deren Bestrafung.
Das ist Teil ihres Denksystems – und besonders kontraproduktiv:

Fehlerverursacher ducken sich unter so einem Chef naturgemäß weg.
Sie haben Furcht vor Strafe, sozialer Ausgrenzung und geschäftlichem Reputationsverlust.
Auch die Umgebung des Fehlerverursachers traut sich nicht, den Fehler zu melden; schließlich wollen sie selbst ja auch nicht eines Tages „verpetzt“ werden.

  • Wo Imageverluste, Abmahnungen oder gar Kündigungen die Folgen von Fehlern sind, werden Fehler bestmöglich vertuscht.

Das Fehlereingeständnis oder: Der Gang nach Canossa

Nichts ist schrecklicher für den universitär auf Null-Fehler-Toleranz getrimmten Anwalt, als einen eigenen Fehler einzugestehen, besonders sich selbst gegenüber.
Wer jedoch seinen Fehler zumindest dem Mandanten gegenüber offensiv eingesteht, bevor der Mandant sich beschwert, behält Kaiserkrone, Reputation und Kunden. Wer ihn vertuscht, verliert alle drei.
Dies gilt jedenfalls, sofern der Mandant

  • den Fehler (künftig) bemerken könnte
  • einen Nachteil dadurch hat

Im pro-aktiven Beschwerdemanagement lernen Anwälte, sich mit einem eigenen Fehler beim Mandanten zu melden, BEVOR der den Fehler bemerken konnte. Der Anwalt wirkt in dem Moment furchtlos, unerschrocken und vom Produkt überzeugt. Mandanten honorieren das.

Wer Fehler aufbauscht, verharmlost oder vertuscht, begeht Fehler.

Dumm gelaufen? Was dumm gelaufen ist, ohne ein Fehler zu sein, hat zu Recht versöhnlich klingende Namen wie Missverständnis, Flüchtigkeitsfehler, Fauxpas, Patzer, Missgriff, Schnitzer, Versehen, Inkorrektheit, Lapsus, Unzulänglichkeit, Mangel (nicht rechtl.), Schaden, Defekt, Manko, Macke, Schwäche oder Defizit.

Unterschied zwischen Fehler und Irrtum
Ein Fehlerproduzent kann zum Zeitpunkt seiner Entscheidung wissen, dass seine Entscheidung falsch ist.
Wer dagegen einen Irrtum begeht, könne gerade das nicht wissen.
Thomas Edison war demnach – wie viele Erfinder – ein Irrtumsgenie, denn er sagte:  „Ich habe nicht versagt. Ich habe nur 10.000 Wege gefunden, die nicht funktionieren.“

Eine Warnung:
Was ein Kanzleifehler war und dem Mandanten gegenüber als „Missverständnis“ verharmlost wurde, löst beim Fehlerproduzenten die zumeist vergebliche Hoffnung aus, über diese Sache könne „Gras wachsen“.
Nicht nur Gärtner und Mandanten wissen es besser: Dieses Gras hat diese Sache für immer an der Wurzel.

Was gestern noch ungeregelt war, ist heute ein Fehler

Wenn der viel zitierte „gesunde Menschenverstand“ bei der Organisation einer Anwaltskanzlei in Einzelfällen versagt, findet er sich plötzlich in einem BGH-Urteil wieder:
Seit Februar 2022 müssen Mitarbeiter einer Anwaltskanzlei die mündlichen Anweisungen ihrer Vorgesetzten entweder sofort erledigen oder sofort mit Erledigungsfrist eintragen.

Der Anwalt muss seitdem diesen Vorgang überwachen:
„Gerade mündliche Anweisungen könnten im Fall einer verzögerten Umsetzung leicht in Vergessenheit geraten.“ (BGH, Beschluss v. 15.2.2022, VI ZB 37/20)

Angebote für Anwälte auf www.anwalts-akquise.de:

Kanzlei- und Anwaltscoaching seit 33 Jahren

Ich begleite Anwälte als Einzelpersonen und in Teams bei schwierigen Themen.
Ziel ist immer die Lösung individueller, strategischer und motivationsrelevanter Themen im Arbeitsalltag.
Mit einem Seminar oder einer Beratung hat ein Coaching nichts zu tun.

Informationen über mich


Johanna Busmann, Hamburg
33 Jahre Anwaltstraining, Strategieberatung und Kanzleicoaching

Kosten für Coaching

In fast allen Fällen ist ein Coaching in der „Erstanschaffung“ teurer als ein Seminar.

Tag:
2400 Euro + Reise + MWSt. + Übernachtung
(wird Einzelpersonen nicht gewährt)

Stunde
280 € + MWSt. + Reise + ggfs. Übernachtung.

Anamnesegespräch
Das Anamnesegespräch ist bei mir immer kostenfrei: 3o min am Telefon
Danach gebe ich eine Einschätzung von Methode, Weg, Dauer und Ergebnis.

Ort, Organisation, Technik

Wird im Briefing mitgeteilt.
Zerstrittene Teams begleite ich nur an neutralem Ort. Auch in manch anderem Fall empfiehlt sich der Rückzug in ein Waldhotel.

Telefoncoaching
In Ausnahmefällen ist ein Telefoncoaching möglich.

Video-Coaching
Über „Teams“ oder andere Systeme möglich.

Sparringspartner
Live-Coaching einer Einzelperson braucht manchmal einen vertrauten Feedbackpartner ohne private oder enge Bindung an den Klienten. Dieser wird in das Coaching eingebunden.

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