Kanzleikultur von A – Z
Alle folgenden Themen können Symptome für tiefer liegende systemische „Erkrankungen“ der Kanzlei sein und rechtfertigen dann die Arbeit mit einem Business-Coach.
Ein Beispiel: Wenn „Abstimmungen“ innerhalb der Sozietät zeitaufwändig sind und öfter vorkommen, indiziert dieses Symptom eine unter Anwälten typische „Hierarchiefurcht“.
Diese wiederum ist in der Regel äußert subjektiv an „Individualität“ der Einzelnen geknüpft und könnte auf diese Weise den ranghohen Wert „Selbstbestimmung“ sicherstellen.
Weitere Symptome können sein:
Abstimmungen
Über den neuen Briefkopf hatte man schon 14 Stunden in 3 Sitzungen diskutiert. Der Coach stellte fest: Eine Zeitersparnis um 87,4 %, eine Geldersparnis von 7290,00 € sowie gute Laune unter den Partnern wären im folgenden Fall u.a. durch den Verzicht auf eine Abstimmung möglich gewesen.
Fazit: Abstimmungen unter Entscheidern indizieren u.U. fehlendes Management und destruktive Hierarchiefurcht.
Akzeptanz
Wo Kanzleiführung nicht akzeptiert wird, drohen Fluktuation und Krankenstand. Kein Anwalt – so jung und unerfahren er sein mag – akzeptiert „Befehle von oben“ oder Nichtbeachtung durch Führungskräfte. Wäre das anders, könnte man ihn nie zum Partner machen. Wer Anwaltswissen in Mandantennutzen transformieren will, braucht Unterstützung und klare Regeln.
Altersstruktur der Kanzlei
Viele Themen von Einstieg bis Ausstieg ranken sich in einem Business-Coaching um die Altersstruktur einer Kanzlei.
Junganwälte/-innen lernen. Bei jenen, die schon als Studenten eifrig Praktika in Anwaltsbüros gemacht haben, kann diese Phase schon Anfang zwanzig beginnen, bei anderen beginnt sie mit dem ersten Job und endet etwa Mitte dreißig, wenn es darum geht, eine Partnerposition konkret ins Auge zu fassen.
Partner/-innen: Ab Mitte dreißig bis Mitte fünfzig wird Geld verdient. Das sind die produktivsten Zeiten eines Anwalts, denn dann hat er genug Erfahrung in seinem Arbeitsgebiet und genügend Energie, um auch aus seiner Position in der Sozietät etwas zu machen.
Senior-Partner/-innen: Ab fünfundfünfzig bis sechzig nutzt man seine Erfahrung. In diesem Alter merkt man, dass die Konflikte der Mandanten einen nicht mehr so berühren wie früher, man entwickelt verstärkt Privatinteressen und sucht sich lieber strategische Aufgaben als solche an der Front der Konflikte.
Anerkennung
Geld ist die einfachste und deshalb auch primitivste Form der Anerkennung. In einer gewachsenen Unternehmenskultur kann man viele andere Formen finden, die eine Motivation der Kanzleimitarbeiter sicherstellen. Neben die Gewinnverteilung treten vor allem die verbindliche Ansprache mit begründetem Lob und konstruktiver Kritik.
Assistenz
Assistenten am Empfangstelefon der Kanzlei werden den Anrufer möglichst schnell in die passende Dezernat stellen. In der kleinen Kanzlei werden sie notieren, was der Mandant braucht und erst dann durchstellen.
Dem neuen Mandanten werden sie persönlich durch den Anwalt vorgestellt (dabei tragen sie ein Jackett und verstecken ihre Tattoos), verfassen direkt danach eine „Begrüßungsmail“ an den neuen Mandanten mit einer vollständigen Liste der mitzubringenden Unterlagen für das Erstgespräch, begleitet von Vollmacht und Wegbeschreibung mit Parkplatz.
Besprechungen
Etwa 75 % aller Live-Besprechungen unter gleichrangigen Entscheidern in einer Anwaktskanzlei sind überflüssig, wenn kulturelle oder organisatorische Themen auf der Agenda stehen. Der Rest aller Meetings außerhalb von Mandatsbesprechungen gelingt effizient durch die vorherige Aufgabenverteilung unter den Entscheidern. Diese haben – mit ganz wenig Ausnahmen – die vollständige, alleinige Entscheidungskompetenz in ihrem Bereich – und dafür ein eigenes Budget, das sie einmal im Jahr der Partnerrunde vorstellen.
Delegation
Anwälte delegieren ungern wichtige Aufgaben an andere Profis. Hauptgrund: Sie haben Angst um ihren Einfluss und um die Qualität ihrer Arbeit. „Wenn man nicht alles selber macht“ ist ein beliebter anwaltlicher Glaubenssatz.
Erstaunlich. Denn im eigenen Team befinden sich ausgebildete Profis aus mehreren anderen Disziplinen, zum Beispiel eine Rechtsanwaltsfachangestellte, ein Patent Professional oder ein IT Fachmann.
TIPP: Delegieren Sie aus B-Aufgaben. B -Aufgaben sind wichtig, aber nicht dringlich. Teile aus B-Aufgaben können und müssen delegiert werden. A-Aufgaben sind wichtig und dringlich; sofort und selbst erledigen; dazu gehören Mitarbeiterführung, Akquise und Fristsachen (vgl. „Eisenhower-Prinzip“).
Dienstleistungshabitus
Wer eine positive Reputation nach außen wünscht, muss nach innen einen Dienstleistungshabitus etablieren und „durchziehen“.
Begründung: Der Mandant gibt kommunikative Details in der Mandatsabwicklung – und nicht tolle Rechtskenntnisse – in seiner Empfehlung weiter.
Dirigent
Ist eine Sozietät nicht größer als ein Trio, braucht sie auch keinen Dirigenten. Sind aber mehr als 5 Partner da, muss es jemanden geben, der kein Instrument, sondern den Taktstock in der Hand hat. In so großen Einheiten ist es ohne Management nicht möglich, richtig zusammen zu spielen.
Die Unternehmenskultur eines Orchesters wird am ehesten erreicht, wenn man neben einer geeigneten Form für die Gewinnverteilung auch eine Vielzahl von Möglichkeiten gefunden hat, Anerkennung zu verteilen.
Diskussionskultur
Eine Diskussion ist eine von vielen Methoden zur Zielerreichung – und nicht das Ziel selbst. Eine Diskussion ohne ein zuvor bekanntes und benanntes Ziel (besonders unsinnig: Meinungsdebatten) vergeudet Zeit und Energie und beweist im Coaching-Bedarf im Arbeitsalltag.
So wird der Satz „Wir müssen die Details des Briefkopfes nochmals diskutieren“ zu: „Wir entscheiden heute um 13 Uhr über den Briefkopf. Bitte alle Bedenken gegen den Entwurf bis 10 Uhr einreichen.“
Dokumentation
Ein Intranet hatte es bis zu einem Kulturcoaching gar nicht gegeben; ein riesiges Reisebudget wurde zugunsten von Videokonferenzen sofort zusammen gestrichen.
Im Intranet fanden sich nun sogar die Tagesordnungspunkte der nächsten Partnerversammlung nebst Ergänzungen, Anträgen und Protokollen.
Alle Akquiseaktivitäten wurden fortan mit anderen Abteilungen abgestimmt und im internen Dokumentationssystem sorgfältig hinterlegt.
Ehemalige Mandanten
Zur Kanzleikultur gehört auch der Umgang mit ehemaligen Mandanten. Ihr Weggang ist im günstigen Fall ein Negativ-Feedback an die Kanzlei, im ungünstigen Fall durch Umstände verursacht, die sein Ex-Anwalt nicht mit verantwortet.
Alles, was ein Probleminhaber selbst verursacht hat, kann er selbst ändern. Deshalb kann ein Anwalt alle ehemaligen Mandanten, deren Weggang er mit zu verantworten hat, zurück gewinnen. Langer Atem ist gefordert.
Feedback
Ungeübte Anwälte externalisieren im schlimmsten Fall eigene Führungsunsicherheiten. Das bedeutet: Sie schieben die Folgen ihrer Führungsschwäche anderen in ihrer Umgebung zu und agieren dadurch eigene Schwächen z.B. auf dem Rücken ihrer Mitarbeiter aus.
Gegenmaßnahme ist die „Kultur der umkehrbaren Botschaften“: Manche Anwälte hatten deshalb anfangs Alpträume! Sie mussten nun hinnehmen, dass die Assistentinnen sie offen kritisierten – wegen ihrer schlechten Laune generell morgens und nach verlorenen Prozessen! – und durften feststellen, dass alle Beteiligten dadurch gute Laune bekamen und behielten!
Sie durften auch feststellen, dass alles Kritisierte angenommen und umgesetzt wurde. Dadurch bekamen sie den Mut, selbst auch Kritik anzunehmen! Das war wirksamer als jeder Betriebsausflug und kostete gar nichts!!!
Fehlerkulturen
Fehler sind nicht schlimm; erst deren Wiederholung tötet Vertrauen.
Kanzleikultur erhebt die Kanzlei zu einer „lernenden Organisation“ und tilgt auf allen Ebenen Fehler, die zum zweiten Mal passieren.
Eine förderliche Fehlerkultur setzt eine verlässliche Feedback- und Führungskultur sowie Angstfreiheit voraus: Wer einen Fehler machte, gibt den Fehler umgehend zu.
Dadurch erhält er – im Idealfall von Gleichrangigen – sofortige Hilfe, Instruktion und vor allem Übung, um eine Wiederholung für immer zu verhindern.
Falls gleichrangige Assistenten oder angestellte Anwälte ihrem neuen Kollegen nach dessen Fehler nachhaltig genug helfen können, bemerken Führungskräfte den Fehler nicht einmal und können ungestört wichtige Aufgaben erledigen.
Dadurch brauchen Anwälte viel Mut beim Verzicht auf Strafen für Erstfehler und noch mehr Mut für besonders eindeutige Kritikgespräche bei Zweitfehlern.
Flexibilität
Die meisten Sozietäten richten Ihre Managementstrategien und damit auch ihre Unternehmenskultur überwiegend an den Anwälten der mittleren Altersgruppe aus, deren Arbeit den Zusammenhang zwischen persönlicher Leistung und Erfolg am einfachsten erkennen lässt. Hier wird auch das role-model eines Teams von Landsknechten am ehesten verstanden und akzeptiert.
Wer die Arbeitslast und den Stress, der mit unserem Beruf verbunden ist, länger als 20 Jahre getragen hat, will oder kann in vielen Fällen nicht auf die gleiche Weise arbeiten wie ein 40-jähriger.
Führung
In einem Dezernat kündigte die dritte Mitarbeiterin innerhalb von 1,5 Jahren. In allen anderen Dezernaten ist die Fluktuation unauffällig. Das bedeutet: Der Dezernatsleiter führt gar nicht oder fehlerhaft.
Seine Ausreden werden in dieser Situation noch peinlicher als sonst schon: Nicht alle drei Assistentinnen gingen „in eine andere Stadt, weil dort ihr Freund wohnt“.
Ein Kulturcoaching vereinheitlicht das Führungsverhalten aller Anwälte einer Kanzlei / eines Dezernats.
Gesprächskultur
In positiver Gesprächskultur kann jeder offen und angstfrei kritisieren, Meinungen sagen und Vorschläge machen; angegriffene Gesprächskulturen benötigen dazu einen erfahrenen, von allen anerkannten, internen „Ombudsmann“ mit einem gewissen Händchen für Menschenführung.
Ein Business-Coach kann bei dessen Arbeitsplatzbeschreibung behilflich sein.
Der Ombudsmann wird eine Freistellung für eine bestimmte Stundenzahl in der Woche erhalten und für die Dauer seiner Sonderrolle von Umsatzpflichten teilweise befreit sein.
Er richtet eine Feedbackkultur ein, vor allem aber das 360° Feedback. Hier kann sich jeder – unter definierten Bedingungen, auch anonym – über jeden äußern.
Gewinnverteilung
Das reine Lockstep-System, in dem die Gewinnverteilung sich ausschließlich nach dem Alter richtet, benachteiligt starke Akquisiteure, junge Wilde und charismatische „Rampensäue“ auch dann, wenn diese das Image der Kanzlei erheblich beleben.
Das reine „Eat-what-you-kill“ – System fördert Egoismus und behindert Teamarbeit und Cross-Selling.
In beiden Fällen fehlen wesentliche Steuerungselemente, um das Unternehmen ertragreich zu halten.
Hierarchiefurcht
Hierarchiefurcht macht handlungsunfähig.
„Wir haben hier flache Hierarchien“ berichtet ein Kanzlei-Inhaber seinem Coach im ersten Telefonat. Angestellte Juristen und Büromitarbeiter derselben Kanzlei wissen in der späteren Anamnese nichts darüber und lächeln gequält bei der Coach-Frage „Könnten Sie ein Beispiel für flache Hierarchien in dieser Anwaltskanzlei nennen?“
Stattdessen berichten sie – hinter dezent vorgehaltener Hand – von mehreren Indizien eines „alltäglich spürbaren Führungsunwillens der Partnerriege “ zu Lasten der Mitarbeiter.
Kommunikationskultur
„Wir sagen, was wir tun und wir tun, was wir sagen.“
Was sich hier utopisch und gefährlich anhören könnte, ist einfach einzurichten, sobald alle wollen.
Wenn dagegen ein einzelner Entscheider die eigenen Entscheidungen torpediert, ist Verlässlichkeit schnell am Ende.
Wer Zielvorgaben vereinbart, wer Ergebnisse bewertet und wer über Gewinnverteilung entscheidet, muss für alle Partner des Büros und die meisten Anwälte offensichtlich sein. Es muss auch klar sein, in welchem Zeitrahmen und unter welchen Kriterien das geschieht.
Anwaltliche Leistungen, die sich nicht im Umsatz oder in der Vermeidung von Kosten ausdrücken, werden sehr unterschiedlich eingeschätzt – und in der Regel ungerecht honoriert.
Kontrolle
Kanzleikultur bedeutet gegenseitige Kontrolle. Täglich gelebte (nicht behauptete), gemeinsame Werte der Kanzlei kann jeder bei sich selbst und seinen Kollegen überprüfen und als Feedback, Frage, Wunsch oder Idee an die Vorgesetzten weiter geben:
Ist „Servicebereitschaft“ bei uns nur „schickes Gelaber“ oder werden Rückrufe tatsächlich durch jeden Anwalt wie versprochen durchgeführt? Wird die Erledigung delegierten Materials regelmäßig überprüft? Bedeutet „Qualität“ in Ihrer Kanzlei die einsame Paragrafen-Jonglage des Einserjuristen oder begeistern Sie Ihre Mandanten durch empathische, verständliche Kommunikation?
Kundenmanagement
Wer Mandanten segmentiert, optimiert sein Marketing, da dieses nur noch eine Gruppe ansprechen muss: Kundenmanagement rockt die Bühne!
Berufsträger entwickeln im Coaching eine Liste von Mandantengruppen, die künftig nicht mehr versorgt werden und bestimmen, wer sie stattdessen versorgt. Entsprechend „unpassende“ Anfragen werden ab dem Tag danach durch die Assistentin weiter geleitet.
Anwälte definieren in diesem Coaching auch, welcher Mandant durch was genau für die Kanzlei wertvoll ist.
Leistungsbeurteilung
Leistungen der Anwälte außerhalb der Mandatsbearbeitung wurden früher gar nicht (Reines Lockstep-Entnahmesystem) und danach sehr unterschiedlich (daher automatisch ungerecht) bewertet. Veröffentlichungen, Akquiseaktivitäten, Vorträge bei Mandantenveranstaltungen wurden nun nach einem Punktesystem bewertet.
Management
Anwälte übertragen Managementaufgaben gern an einzelne Persönlichkeiten aus ihren Reihen, deren Zusatz-Engagement wie ein Ehrenamt daherkommt: unbezahlt, unkündbar, moralisch allen Vorwürfen überlegen, immun gegen Fehlerkritik, Schwächeren gegenüber hilfreich – und unverzichtbar für die Ruhe im ganzen Land.
Folgerichtig bleiben Ungereimtheiten und Unterlassungen dieser Person oft unentdeckt, manchmal unerwähnt und immer ungesühnt.
Lösung: In Anwaltskanzleien ab einer bestimmten Größe gibt es keinen zielführenden Grund (Hierarchiefurcht ist NICHT zielführend!), einen professionellen Manager nicht zu bezahlen, nicht zur Rechenschaft zu ziehen und nicht bei anhaltenden Misserfolgen zu entlassen.
Ein Business-Coach kann behilflich sein, die Bereitschaft aller Entscheider für einen externen Manager zu erhöhen oder – wenn dies wirklich unerwünscht ist – einen engagierten Partner in der Rolle des Managers teilweise von Anwaltsaufgaben freizustellen, Ziele für seine Aufgabe konkret zu definieren, ihm ein allein verwaltetes Budget zu geben (auch für HR, IT, CRM, Marketing, Controlling) und ihn für die Rolle insgesamt fit zu machen.
Meetings
Ineffiziente Meetings haben einen Tagesordnungspunkt mehr als einmal auf der Agenda.
Dieses Symptom zeigt das Entscheidungsvermeidungs-Syndrom an, deutet auf eine viel tiefer liegende Grunderkrankung mit dem Namen Hierarchiefurcht, ist meist schon viele Jahre alt und gilt deshalb als chronisch.
Was tun? Der Coach streicht zunächst für jedes Meeting der Entscheider alle Tagesordnungspunkte bis auf einen einzigen, der an diesem Tag entschieden wird.
Da die intellektuelle und organisatorische Disziplin der Gruppe wegen der Beliebigkeit der Meeting-Ergebnisse in den vergangenen Jahren nicht gefordert war und folglich mental in den Hintergrund trat, ist anfangs eine straffe Moderation durch den Coach notwendig.
Je näher das Entscheidergremium zuvor seine Meetings an folgenlose Kaffeekränzchen angenähert hatte, desto autoritärer erscheint ihnen eine unveränderbare Moderationsstruktur.
Meeting-Moderation
Folgenlos. Ergebnisfern. Selbstverliebt. So könnte externen Beobachtern der Ablauf mancher Anwaltsmeetings vorkommen.
Geübte externe Moderatoren von Entscheidungsprozessen in solchen Gremien bringen äußerst straffe Moderationsregeln mit. Je stärker diese Formalia a priori abgelehnt werden, desto dringender sind sie mutmaßlich nötig.
Wichtig zu wissen: Falls ein seriöser Coach in eine solche Moderatoren-Rolle eintritt, verändern sich seine Wirkung, seine Rhetorik und seine Einsatzwerkzeuge fundamental.
Die Unterschiede zwischen beiden Rollen werden schriftlich mitgeteilt; der Coach tritt in der Moderatorenrolle nur nach Einwilligung aller in die folgende Moderationsmethodik auf:
- Das Meeting beginnt auf die Sekunde pünktlich; die Schlusszeit wird als erstes festgelegt. Fünf Minuten vor Ablauf wird mit allen der nächste Termin mit dem nächsten (oder demselben) Thema eingerichtet.
- Unentschuldigt fehlende Entscheider oder jemand, der ohne Not das Gremium vor Schluss verlässt, verliert seine Entscheidungs- und Vetorechte beim entsprechenden Thema.
Die ZIAKA Moderationsmethode bündelt die Ressourcen aller Beteiligten, verhindert Schuldzuweisungen, gibt keine Gelegenheit für den Blick zurück und sanktioniert schon den bloßen Versuch von Umwegen, Ego-Gewohnheiten oder Nebelkerzen. Der Moderator gibt anfangs diese Reihenfolge bekannt und erklärt jeden Punkt: Z – Ziel I – Ideen A – Auswahl K – Konzept A – Aktion. Diese Methode verhindert Zeitverschwendung.
- Alle Wortbeiträge, die nicht direkt zur Entscheidung beitragen, werden durch Fragetechniken aussortiert („Welche unmittelbare Relevanz hat die Antwort auf Ihre Frage zur Zielerreichung X?“), ggfs. zurückgewiesen und in dem Fall auch nicht protokolliert.
- Jeder Einwand zieht unmittelbar einen besseren Vorschlag des Neinsagers oder der Gruppe nach sich, der das Ziel besser zu erreichen hilft. Gibt es einen solchen besseren Vorschlag nicht, gilt der Einwand als nicht existent und wird an diesem Tag nicht protokolliert.
- Das Protokoll wird umschichtig verfasst, an alle bis zum nächsten Mittag gemailt und beim nächsten Mal von allen wieder mitgebracht. Nichts aus diesem Protokoll, ggfs. mit Ausnahme der ZIAKA Regeln, wird beim nächsten Mal wiederholt.
- Alle Ergebnisse (nicht das komplette Protokoll) aus Führungsmeetings mit einem mittelbaren oder unmittelbaren, sofortigen oder künftigen Effekt auf angestellte Anwälte oder Nichtjuristen (Assistenz, HR, IT, Marketing) werden diesen – ggfs. mit Delegationsaufgaben und deren Kontrolle – mitgeteilt.
- Einer der Entscheider wird für mindestens ein Jahr als Botschafter und Ansprechpartner für die Weitergabe von Beschlüssen an Mitarbeiter bestimmt. Er verwaltet selbst alle Einwände der Nicht-Juristen und hilft, alle Hindernisse zu beseitigen.
Mittagspausen
Eine Kanzlei, die für „mittelständisches Handwerk der Region“ interessant sein will, wird als erstes ihre No-Service-Mittagspausen und ihre Feierabend-Anrufbeantworter durch verbindliche, servicebereite Telefonmitarbeiter besetzen, da der Tischler vorzugsweise in seiner Mittagspause oder ab 17.30 Uhr seinen Anwalt anruft.
Alle Hochglanzflyer von früher wurden durch gemailte, zurück haltende Info-Flyer mit einem Nutzentitel ersetzt.
Niederlagen
Die Gemeinsamkeit aller Emotionen in erfolgreichen Teams ist deren Gemeinsamkeit. Das ist weniger banal als es klingt: Im erfahrenen Dauer- oder Projektteam der Kanzlei werden Niederlagen und Erfolge gemeinsam vor- und nachbereitet.
Die familienrechtlich geprägte Kleinkanzlei besteht aus Anwalt mit Assistenz und bietet nach gewonnenem Umgangsrechtsverfahren einen ebenso berührenden Freudentaumel wie das 6-köpfige Projektteam im Verwaltungsrecht nach Genehmigung der Trasse für eine Pipeline.
Gemeinsame Trauer über Misserfolge schweißt dieselben Teams ebenso überzeugend zusammen.
Ein Coach kann helfen, Mechanismen unbewusst angesteuerter Niederlagen bewusst zu machen und faktische Niederlagen positiv zu verarbeiten.
Pro-Aktivität
Eine negative Unternehmenskultur entsteht durch Passivität anwaltlicher Führungskräfte. Gern als „Nicht-Einmischung“ glorifiziert, beharren diese Führungskräfte auf ihrem laissez-faire und gefährden dadurch Arbeitsplätze.
Jedes egozentrische Verhalten in der Kanzlei, das nicht systematisch sanktioniert wird, gilt zahlreichen Nachahmungstätern als erwünscht: Zickenkrieg im backoffice, Sabotage von Kanzleientscheidungen oder ergebnisfernes Diskutieren werden durch Passivität in der Führung salonfähig.
Normalerweise kennen Anwälte den kausalen Zusammenhang zwischen eigener Passivität und Arbeitsplatzgefährdung. Dennoch schreiten sie nicht systematisch gegen ihre eigene Passivität ein.
Prognosen
Probleminhaber sind auf wahrheitsgemäße Botschaften ihres Anwalts angewiesen.
Wenn Problemöser (= Anwälte) falsche oder unrealistische Prognosen abgeben, z.B. über den Ausgang eines Prozesses oder über den Zeitpunkt, zu dem ein Schriftsatz sie erreicht („Dienstag ist er bei Ihnen“) und dieses Versprechen nicht einhalten, ist an der Grundlage dieses Verhaltens i.d.R. ein irrealer Glaubenssatz am Werk.
Quereinsteiger
Im Recruiting greift so manche Kanzlei – aus Not oder Überzeugung – zu Quereinsteigern, die aus anderen Unternehmenskulturen kommen (Empfangsassistentin aus einem Hotel).
Das belebt, das bildet fort, und das freut die Kunden.
Große Sozietäten, die eher geführt werden wie Konzerne, neigen dazu, sich nur auf die Interessen der Partner zu konzentrieren und vergessen die vitalen Interessen der Mandantschaft; denselben Fehler machen die Verantwortlichen kleiner Formationen.
Mittelgroße Sozietäten sorgen für „frischen Wind“ in eigenen Reihen, indem sie fachfremde Führungspersonen einstellen.
Reputation
Wer Reputation nach außen wünscht, muss nach innen einen Dienstleistungshabitus etablieren:
Es gibt in der Kanzlei keine Wartezeiten, kein „Nein ohne Lösung“, keine bemerkbaren Mittagspausen, keine unwirschen Ansagen (auch nicht durch Uhrzeiten auf einem Anrufbeantwortertext), keine Juristensprache gegenüber Nicht-Juristen, keine Bandwurmsätze, keine sichtbaren Tattoos am 7. Lendenwirbel, keine Verzögerungen, keine gebrochenen Versprechen (!), keine Verstöße gegen die Schweigepflicht durch herumliegende Akten, keinerlei servicefeindliche Bemerkung („Das geht nicht“) etc.“
Rituale
Religiöse, familiäre oder sportliche Rituale fördern den sozialen Zusammenhalt diverser Gruppen. In Sozietäten sind MMMs, Betriebsausflüge, Partnerversammlungen, der „Punsch“ (gemeinsamer Pizzalunch) und das persönliche Begleiten des Mandanten bis zum Fahrstuhl unverzichtbare Elemente.
Der „Akquisiteur des Monats“ kriegt einen Pokal, der „Preis für die besten Publikationen“ ist eine Wochenendreise mit Partner, und der Goldene Elefant stand in der Sozietät Heussen, Braun, von Kessel (lt. Vortrag von Prof. Dr. Benno Heussen beim Ersten Akquisekongress für Anwälte“ in Stuttgart im Februar 2014) einige Jahre lang beim Anwalt mit dem besten Quartalsumsatz im Büro.
Schweigepflicht eines Coaches
Da ein Business-Coach normalerweise auch nach innen schweigepflichtig ist, hört er in Abwesenheit der Führungskräfte von Angestellten gelegentlich intime Bekenntnisse, die er nicht oder nur sorgfältig anonymisiert bzw. in Frageform an die Partnerriege weiter geben darf.
Weiter gegeben wird daher durch den Coach lediglich z.B. der Eindruck von Angst der Mitarbeiter, ausgelöst durch die angebliche Anwesenheit einer „flachen Hierarchie“.
Servicebereitschaft:
Irrationale Befindlichkeiten einiger Anwälte („Computer? Nix für mich“ oder „Meinen Terminkalender führe ich selbst!“ oder „Meine Assistentin ist doch keine Pufferzone zwischen mir und meinem Mandanten“), deren Folgen weite Teile der Belegschaft demotivieren und alle Mandanten irritieren, sind ab sofort Tabu und werden ersetzt.
Streitkultur
Eine Streitkultur existiert außerhalb intuitiver Kompromisslinien in einer Kanzlei gewöhnlich nicht; daraus folgen ergebnisfernes Gesabbel und Nicht-Entscheidungen. Beides fördert den Status Quo. Ein Nicht-Anwalt als Kanzleimanager kann Nicht-Entscheidungen unnötig machen, falls alle auf ihn hören.
Transparenz
Für alle Partner und Anwälte ist endlich offensichtlich, wer Zielvorgaben vereinbart, wer Ergebnisse bewertet, wer über Gewinnverteilung entscheidet, in welchem Zeitrahmen das geschieht und welche Kriterien dabei eine Rolle spielen. Welcher Partner (alle mit eigenem Budget, alle mit Rechenschaftspflicht nach 12 Monaten) ist für IT, HR, CRM etc. zuständig und hat welche Pflichten und Rechte? In welchen äußerst seltenen Fällen muss er die ganze Partnerrunde um Zustimmung bitten?
Umkehrbare Botschaft
Verhaltensweisen von Führungskräften sind für andere immer sichtbar, hörbar oder fühlbar. Sie wirken daher wie Leitlinien für alle: Was der macht, ist also salonfähig; das soll und darf ich auch. Normalerweise stehen dieser eher „kindlichen“ Imitationslust Regeln entgegen (z.B. durch eine Regel, die Zu-Spät-Kommen sanktioniert), und Mitarbeiter empfinden die Kanzleikultur als „ungerecht“, „ungesund“, „widersprüchlich“ oder „destruktiv“.
Ein Kultur-Coaching richtet einen sog. Feedback-Spiegel ein:
- Die „Kultur der umkehrbaren Botschaft“ verlangt von Mitarbeitern, ihren unfreundlichen Chefs gegenüber zeitweise auch unfreundlich zu sein und das jeweils zu erläutern: „Ich bin unfreundlich zu Ihnen, weil Sie das mehrfach auch waren, und zwar….“
- Umgekehrt hat der Chef dieselbe Verpflichtung; er darf Unzufriedenheit mit seinen Mitarbeitern nie mehr „runterschlucken“, weil das alle krank macht. Er ist statt dessen verpflichtet, sofort und im Detail eine begründete Kritik mit deren Lösung (!) vorzutragen, so dass der Mitarbeiter sein Verhalten umgehend korrigieren kann.
Unpünktlichkeit
Mehrfach wiederholte Unpünktlichkeit sichert einen hochrangigen inneren Wert des Unpünktlichen. Wiederholt Unpünktliche dokumentieren durch sehr unterschiedliche Strategien eine bedrohliche, eigene Unsicherheit im Umgang mit Autoritäten. Alle hoffen durch ihr Verhalten auf Anerkennung von innen oder von außen.
- Der „Autarkie-Freak“ ist durch Terminssetzungen durch andere attackiert; jemand anders bestimmt, wann ich wo zu sein habe. Durch wiederholte Zwei-Minuten-Verspätungen dokumentiert der Unpünktliche seine innere Unabhängigkeit.
- Der „Status-Freak“ kommt laut telefonierend oder laut seinen Platz einrichtend in das Meeting und hofft auf Anerkennung für seine Macher-Rolle.
- Der „Angst-Freak“ kommt ausnahmslos zu früh in jedes Meeting, liest alle Unterlagen nochmals und ist perfekt vorbereitet. Er hofft auf Anerkennung für Verlässlichkeit und Folgsamkeit. Auf ihn kann man sich blind verlassen.
Verantwortung
Allein die Führungskräfte tragen die Verantwortung für Arbeitsatmosphäre, Krankenstand und Fluktuation in allen „Ecken und Enden“ der Kanzlei. Sie verantworten auch die eigene Gesundheit und die aller Mitarbeiter. Damit das gelingt, müssen sie lernen, gemäß ihrer ROLLE zu agieren und nicht gemäß ihrer bislang veröffentlichten Gewohnheiten.
Werte
Positive Werte können negatives Verhalten ausgleichen; Verlässlichkeit ist ein solcher Wert. Er rangiert in vielen Kanzleien weit oben in der kulturellen Wunschwerteliste. Das ist kein Zufall; sie sorgt hierarchieübergreifend für Vertrauen, Sicherheit und Zusammenhalt und kann sogar Folgen negativen Verhaltens ausschalten.
Zu-Spät-Kommen ist ein solches Verhalten. Wenn ein Anwalt zu spät in die Kanzlei kommt, verstößt er in der Regel nicht gegen einen Vertrag. Sein Zu-Spät-Kommen ist also nicht dasselbe wie das Zu-Spät-Kommen einer Assistentin.
Solange der Anwalt sein Zu-Spät-Kommen rechtzeitig ankündigt, kann seine Assistentin Anrufer informieren, Termine selbständig verschieben und Besucher vertrösten.
Der Anwalt zeigt also durch ein weiteres Verhalten („Ankündigung der Verspätung“) den Wert „Verlässlichkeit“, vulgo: Er „macht’s wieder gut“.
Work-Life-Balance
Die prozentuale Gewichtung von Arbeit und Freizeit, Möglichkeiten von Sabbaticals, home office und einem täglichen Sportangebot in oder neben der Kanzlei sind für das Recruiting passender Mitarbeiter einer Kanzlei mittlerweile ein wichtigeres Kriterium als das Einstiegsgehalt.
Noch vor etwa zehn Jahren ordneten Einsteiger ihre Lebensplanung den kulturellen und arbeitsorganisatorischen Vorgaben der Zielkanzlei unter. Das ist heute beidseits nicht mehr angemessen.
Langfristiges Denken in mehreren Generationen zeichnet einige Büros seit langem aus; ein Coach kann bei diesem Paradigmenwechsel und dessen Folgen für die Kanzleikultur behilflich sein – und z.B. Teilzeitsysteme einrichten wie
- home office (Kinder, Promotion, Pflege, Rekonvaleszenz)
- Sabbaticals
- Auslandsjahr (LLM, Standort-Rotation)
- recruiting benefits (Fitnesstudio, Umzug)
- Mandantengespräche durch TEAMS, ZOOM & andere Technik
- Of-Counsel-Status