Wer sich nicht selbst führen kann, muss das üben.
Führungsrollen und Individualismus in Anwaltskanzleien
Führung wird stiefväterlich behandelt in universitären Curricula und demnach auch im Anwaltshirn.
Deshalb besetzen Anwälte ihre Führungsrollen unklar, verkennen ihre Grenzen und Möglichkeiten und lassen – aus reinem Mangel an Führungswissen – lediglich ihre Persönlichkeit, ihre Tagesform oder ihre Intuition darüber entscheiden, was sie unter Führung im konkreten Fall verstehen.
- Diese Individualisierung – andernorts völlig zu Recht gefeiert als Gegenspieler von Gleichmacherei – ist also die Folge fehlender Ausbildung, führt unmittelbar zu Mitarbeiterfrust und mittelbar zu Umsatzstagnation, Mitarbeiterfluktuation und hohen Krankenständen in Kanzleien.
Irrationale Selbstbilder in der Führungsrolle
Hart oder zart? Kompromisslinien zwischen dem militärischen Führungsstil einer Luftlandedivision[1] und dem selbstverliebten Kindergarten-Laissez-Faire-Stil der 60er sind im Nebel dieser Individualisierungs-Wut kaum zu erkennen.
Dabei sind doch Anwälte „wie Musiker nur erfolgreich, wenn sie ihren individuellen Stil entwickeln können, denn ohne diese Unabhängigkeit des Denkens können sie Recht nicht durchsetzen.“
- Wer also mitten im Nebel seine Kanzlei führen würde wie ein Dirigent sein Orchester, könnte die individuelle Klasse eines jeden Musikers sowie dessen individuelle Bereitschaft, gemeinsam mit den anderen vom Blatt zu spielen, zeitgleich erhöhen.
Anwälte schätzen ihre Führungsfähigkeit falsch ein
Wer sich selbst einschätzen will, braucht Vergleichsgrößen. Wenn die fehlen und auch kein Feedback durch Mitarbeiter vorliegt, bleibt als Antwort auf die Frage „Wie war ich?“ leider nur das Ganz-Große-Rätsel-Raten.
Befragt nach ihrer Einschätzung eigenen Führungsverhaltens sagen Anwälte manchmal: „Wahrscheinlich viel zu schlecht.“ Andere sagen: „In Einzelgesprächen gut. In der Struktur schlecht. Wir haben Mitarbeitergespräche nicht als Instrument für alle.“ Wieder andere meinen: „Ich komme mit allen gut aus. Jeder kann zu mir kommen, wenn er was hat.“
- Kein unvorbereitet befragter Anwalt hat jemals zum Ausdruck gebracht, die Qualität seines Führungsverhaltens an Leistung, Sozialverhalten und Eigenständigkeit seiner Mitarbeiter direkt abzulesen und – danach ausgerichtet – sein Führungsverhalten beständig zu optimieren.
Kommunikation ist immer Wirkung, nicht Absicht.
Was erzählen eigentlich Ihre Mitarbeiter über Sie, wenn sie unter sich sind? Vielleicht glauben Sie von sich selbst, kooperativ, ausgewogen und sachlich zu sein, während „die anderen“ Sie für unzuverlässig, intrigant und aggressiv halten. Oder ist es etwa umgekehrt?
Wie dem auch sei: Ihre besten Absichten schützen Sie nicht vor einer kontraproduktiven Wirkung.
Führung ist lernbar
„Der erste Schritt ist die Hälfte vom Ziel“, sagte schon Lee Iacocca. Gehen Sie also Schritt für Schritt vor und erwirtschaften Sie die Grundlagen für Ihre Führungskompetenz selbst: Zuhören und Fragen sind dabei Ziel und Weg zugleich.
Erfolgreiche Führungskräfte können delegieren; sie vertrauen in die eigene Leistung und in die anderer, sie sind lernbereit, konfliktfähig und kommunikationsstark. Sie zeigen Unterstützungswillen und Motivationskraft sowie häufig einen ur-eigenen, „authentischen“ Stil.
Besuchen Sie mal wieder die Teeküche!
Mitarbeitergesprächen (gerade den beiläufigen in der Teeküche) kommt an diesem Ort eine besondere Rolle zu: Sie fungieren zum einen als alltäglicher Prüfstein dafür, wie weit es mit der Kanzleikultur tatsächlich bestellt ist. Zum anderen sind sie eines der wirksamsten und direktesten Werkzeuge für eine partnerschaftliche (dennoch glasklare!) Führung, einem wesentlichen Bestandteil einer von Motivation geprägten Unternehmenskultur.
Innovationsfurcht macht Mitarbeiterführung schwieriger
Wenn Kanzleileiter Veränderungen fürchten, ist das immer subjektiv berechtigt. Auch wenn diese Furcht faktisch Innovationen blockiert, impliziert sie stets auch Positives: Sie warnt vor unprofessionellen und unstrukturierten Schnellschüssen und klingt in externen Ohren (auch in den Ohren von Mitarbeitern) wie Abwehr: „Es lief doch auch ohne das ganz gut“ oder „Das ist doch Zeitverschwendung“ oder „Legal Tech? Man muss doch wirklich nicht auf jeden Zug aufspringen.“
Die Gratwanderung zwischen positiv wirkender Vorsicht und negativ wirkender Vermeidung ist dabei fließend, und Akteure sollten in jedem Fall ihr Vorhaben möglichst konkret an alle Mitarbeiter kommunizieren.
- Arbeitsplätze können sowohl gefährdet sein, wenn Kanzleien „auf jeden Zug aufspringen“ als auch, wenn sie Innovationen generell vermeiden. Treffen Sie alle Entscheidungen erst, wenn sie deren Folgen absehen. Fokussieren Sie dabei auf Arbeitsplatzsicherung. Lassen Sie sich beraten.