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Kanzleiziel und Kanzleistrategie

Ein Ziel macht aus einem Wunsch eine Handlungsanweisung und aus einer Vision Realität. Das macht Ziele anstrengend und anfangs eher unbeliebt.
Eine Kanzlei ohne Unternehmensziel ist eine Ansammlung verwirrter Einzelkämpfer.

Textauszug aus: „Chefsache Anwaltscoaching“

© Johanna Busmann

Aus dem Kanzleiziel wird die Kanzleistrategie

Ziel geht vor Strategie, Strategie geht vor Marketing

So lautet die einzig sinnvolle Chronologie bei der Neupositionierung einer Kanzlei am Markt. Ohne ein konkretes, erreichbares Marktziel kann es keine erfolgreiche strategische Ausrichtung geben, und ohne diese wird gerade das – erst anschließend sinnvolle – Kanzleimarketing zum Millionengrab.
Ein effizientes Kanzleiziel ist in allen wichtigen Punkten konkret definiert, hat Schlussdaten, Zwischenschritte (die in den Kalender als A-Aufgaben eingetragen werden) und hat alle Einwände vor dem ersten Schritt bereits behoben.
Da definierte Ziele alle Schritte ihrer Umsetzung bereits in sich tragen, gelten Zieldefinitionen als ganz miese Spielverderber – verglichen mit Wünschen.

Was unterscheidet den Ziel-Inhaber von einem Wusch-Inhaber?

Wer nur Wünsche hat, muss sich nicht anstrengen. Wünsche sind folgenlos, klingen herrlich locker und sind massentauglich; jeder hat welche.
Je mehr Kanzleien sich mit Wünschen begnügen („Wir wollen den Mittelstand begeistern“), desto eher kommen Zielinhaber zum Zug, die sich einer veritablen Zieldefinition unterzogen haben, aus der sie anschließend ihre Strategie entwickeln.
In einer Kanzlei mit einem konkreten Marktziel sieht jeder externe Besucher den einzelnen Anwälten und ihren Mitarbeitern schon an, dass sie nicht nur Wünsche haben:
Ziele begradigen den Blick und straffen die Schultern. Sie

  • sind immobil, Wege dorthin variabel (Nicht umgekehrt!)
  • sind der Fels in gefährlichster Brandung: kontinuierlich und stabil
  • sortieren Strategien und definieren Wege
  • ermöglichen eine effiziente ABC-Analyse[1] (und damit Zeitgewinn)
  • machen Niederlagen salonfähig und Erfolge zu Alltagsbegleitern
  • verstärken Lebensfreude und beseitigen das Jammern
  • helfen beim Nein-Sagen und verstärken das Ja
  • sind an Werte gebunden und stützen die persönliche Ökologie
  • sind oft klein und immer effizient
  • erschaffen Sog und beenden Gleichgültigkeit
  • sind verlässlich und erden ihren Inhaber.
  • sind erst Denker, dann Lenker
  • sind viel stärker als die Konjunktur und viel schwächer als der Wille.
  • ansteckend (Mandanten von Zielinhabern definieren locker eigene Ziele)
  • machen Mut und Spaß
  • sind sexy

Was hindert Kanzleien, Ziele zu definieren?

Selbst wenn Anwälte wissen, was Wünsche von Zielen unterscheidet, definieren sie letztere ungern. Für einen Business-Coach ist das kein Wunder: Zieldefinitionen kosten nicht nur viel Zeit und Energie, auch ranghohe Werte der betroffenen Individuen können subjektiv gefährdet sein.
Geschäftliche Ziele können das Gefühl von Sicherheit, Selbstbestimmung, Individualität, Anerkennung, Selbstbestimmung, Würde oder sogar Harmonie bedrohen.
Anwälte fürchten,

  • sich selbst unterwerfen zu müssen: „Da hol ich mir ja nichts als Kontrolle ins eigene Haus.“
  • ihre Selbstbestimmung zu torpedieren: „Ich möchte selbst bestimmen, wie mein Tag abläuft.“
  • ihre eigene Persönlichkeit zu verraten: „Ich bin doch kein autoritäres A..“
  • nicht mehr Herr über ihre Zeit zu sein: „Das geht nicht. Ich habe doch auch private Termine dazwischen.“ (Antwort auf die Frage, ob die Assistentin den Terminkalender eigenständig führen soll)
  • ihrer Führungsrolle nicht gewachsen zu sein: „So viele Anweisungen? Bei uns sind eher flache Hierarchien[3].“
  • zu wenig Zeit für Wesentliches zu haben: „Wir haben genug damit zu tun, die Akten vom Tisch zu kriegen.“
  • sich persönlich zu entmachten: „Dann kann ich nicht mehr frei entscheiden, welche Mandanten ich will und welche nicht.“
  • die Kanzlei zu spalten: „Wir kriegen nie alle unter einen Hut. Wir haben nur Nachteile, wenn die Abteilung X geschlossen unser Haus verlässt.“
  • erfahrene Partner zu verschrecken: „Die haben den ganzen Laden aufgebaut. Denen können wir doch jetzt nicht mit Vorschriften “
  • low-performer weiter zu demotivieren: „Die fühlen sich besonders auf den Schlips getreten und schalten erst recht auf Durchzug.“
  • die bisherigen Streitigkeiten zu verstärken: „Was machen wir mit den beiden, die dagegen sind?“
  • Cross-Selling zwar zu wollen, nicht aber zu beherrschen: „Die geben doch nicht selbst akquirierte Mandate ab, nur weil das Rechtsgebiet nicht passt.“
  • durch offene Leistungsvergleiche Zwietracht zu säen: „Wenn wir Zahlen intern zugänglich machen, gibt es böses Blut.“
  • durch Kooperation mit umsatzschwachen Kollegen selbst Einbußen zu erleiden: „Wenn ich warten muss, bis der so weit ist…“

Entwicklungsziele oder Leistungsziele?

Entwicklungsziele überlassen den Mitarbeitern, durch welche inneren (z.B. Selbstmotivation, Wahrnehmung, Persönlichkeit) und äußeren (z.B. Delegation, Arbeitsplatzbeschreibung, Regeln) Hilfsmittel sie das Ziel erreichen und übertragen den Mitarbeitern die Verantwortung für die Zielerreichung.
Das ist erfolgreich, sobald alle Befugnisse des Mitarbeiters (Entscheidungen, Kontrolle, Delegation) geklärt und alle Möglichkeiten des Mitarbeiters (z.B. Fähigkeiten, Informationen, Zeit) vorhanden sind. Selbstredend hängt der Erfolg von Entwicklungszielen entscheidend davon ab, ob der Mitarbeiter das Ziel selbst unbedingt erreichen will.
Leistungsziele sind dagegen im Projektmanagement entscheidende Erfolgsfaktoren. Sie geben viel mehr Details vor und werden hier nicht beschrieben.

Ein Ziel enthält keine Verallgemeinerungen

Verallgemeinerungen kennzeichnen Wünsche, während detailreiche Antworten auf Spezifizierung und Quantifizierung dieser Verallgemeinerungen ein Ziel ermöglichen.
Mit Absichtserklärungen und wohlfeilen Botschaften ist es also nicht getan, wenn Sie en Ziel definieren wollen. Im Gegenteil: Eine Kanzlei möchte „mehr Mittelständler beraten und weniger Privatmandate haben?“ Dann geht die Arbeit hier erst los.
Um einen Wunsch in ein Ziel zu verwandeln, hinterfragen Sie zunächst alle Verallgemeinerungen, hier am Beispiel des Wunsches „Wir wollen mehr Umsatz machen“:

  • Wodurch genau wollen Sie „mehr“ Umsatz machen?
  • Wie viel Umsatz mehr soll es genau sein?
  • In welcher Zeit wollen Sie das schaffen?
  • Was wollen Sie generell erreichen?
  • Wollen Sie expandieren oder sich spezialisieren?
  • Welche Rechtsgebiete wollen Sie dazu gewinnen?
  • Welche Rechtsgebiete wollen Sie abgeben?
  • Wohin geben Sie Rechtsgebiete ab, unter welchen Bedingungen?
  • An wen geben Sie sie ab? Und mit welchem Ziel?
  • Welche Wunschgröße streben Sie an?
  • Wie weit und in welchen Feldern soll Expansion geschehen?

Buch

Chefsache Anwaltscoaching
Berliner Wissenschafts-Verlag (2022)
E-Book und Hardcover
710 Seiten, 89 Euro
(+ Versandkosten NUR bei Versand ins Ausland: 7,95 Euro)

Kapitelübersicht, Leseprobe und Buchbestellung

Autorin

Johanna Busmann, Hamburg
31 Jahre Anwaltstraining, Strategieberatung und Kanzleicoaching – Details

Presse

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